70.3 Rapperswil

Seit fast vier Monaten bin ich nun wieder regelmässig am Trainieren! Auch wenn ich zu Beginn nur gerade zehn Stunden pro Woche und alles sehr locker trainieren konnte, half es mir, mich von meinen Gedanken zu lösen und wieder motiviert in den Alltag zu starten, Ziele zu setzten und einfach auch wieder die Natur geniessen zu können. Zu Beginn war alles sehr schwierig, ich konnte mich an den Tagen mit Fieber nicht gut erholen, weil mein Körper vorher zu viel Substanz verloren hatte – also gab ich mir mehr Zeit für eine bewusste Regeneration. Bis zu 39° Grad Fieber hatte ich noch regelmässig zweimal die Woche, und an eine Steigerung im Umfang war gar nicht zu denken. Doch nach vielen harten Wochen mit gut abtempiertem Training ging das Fieber von Woche zu Woche plötzlich zurück.

Obwohl ich zweimal die Woche wieder einen Rückfall hatte, kämpfte ich mich zurück, stand am Morgen auf, machte mein Bett, zog mein Descente Shirt an und lief mit einer 6:00 Pace los! Und das tagein tagaus für so lange Zeit, bis endlich wie aus dem Nichts sich das Fieber zurückzog und ich wieder langsam zu alter Stärke zurückfand! Ich sage es immer wieder, gebt nicht auf, irgendwann geht’s einfach doch auf!

Einmal hatte ich nur Temperatur, 37.5, und konnte den ganzen Tag etwas nach Lust und Laune unternehmen und musste mich nicht wie so oft im Bett verkriechen. Dann gab es wieder Tage wie nach dem Trainingslager auf Mallorca, wo ich mit 38.6° Fieber nach Hause fliegen musste, das war nicht lustig. Am folgenden Morgen stand ich auf, checkte die Temperatur und machte ein leichtes Footing mit 36.5 – und fühlte mich gut dabei. Im Moment ist jeder normale Tag ein gewonnener Tag und wird gefeiert! Und von da an war der Verlauf wirklich positiv, die Länge der kranken Tage nahm deutlich ab und die Temperatur selber auch! Ich sitze hier in Rapperswil auf dem Bett, es ist Samstag, und es ist ein Fiebertag! Jedoch zeigt es mir seit heute Morgen nur gerade 36.8 an - keine Anzeichen eines bevorstehenden Fiebers! Ich kann ohne Probleme mein Rad einchecken, Startnummer holen und im Stau über die Seedammbrücke gemütlich zurück ins Hotel fahren. Ich bin im Zimmer dann schon etwas müde, jedoch zuversichtlich, dass ich morgen endlich meinen ersten Triathlon seit dem Sommer 2023 bestreiten kann!

Ich schaffte es dann mit etwas Rückstand zur Spitze aufs Laufen, jedoch war bei mir der Motor schon fast ganz aus. Ich lief mit 3:30 los und drosselte sehr bald den Speed, um an diesem Tag einfach finishen zu können. Auf der ganzen Strecke feuerten mich Freunde, Familie und auch völlig Unbekannte leidenschaftlich an. Ich spürte von jedem die Energie, es war etwas sehr Spezielles. Als ich bei meinem «Göttibueb» Leo vorbeigelaufen war und sah, wie der mich mit einem breiten Lachen anfeuerte, kamen mir aus dem nichts Tränen der Rührung, und ich kriegte fast keine Luft mehr. Es war so schön zu sehen, wie er Freude hatte, dass ich wieder gesund bin und meinen Sport ausführen konnte, ein Moment, der mich emotional berührte.

Im Ziel gleich das Ganze nochmals! Mein Bruder Lukas stand beim Eingang in die Zielgerade, feuerte mich an und war ganz aufgelöst und am Weinen. Natürlich konnte ich nicht anders und musste auch gleich wieder nach Luft schnappen und die Tränen zurückhalten. Es war so schön, all diese Leute, die mich vor dem Ziel noch richtig anfeuert hatten, im Zielraum wieder zu sehen. Schliesslich kam dann auch noch der Speaker und gratulierte mir zu meinem Comeback! Eine Erinnerung, die ich nie vergessen werde. Der Kampf zurück zum Triathlon hat sich mit jedem Moment gelohnt.

Endlich am Aargauerstalden die letzte brutale Steigung, bevor es ins Ziel gieng! Ich holte noch mal alles raus und überholte in der Steigung noch ein paar der Athleten vor mir. Doch in der Fläche vor dem Ziel spürte ich dann die Schmerzen in den Oberschenkeln, ich bin etwas zu hart rein. Nun nichts anmerken lassen und schön aufrecht Richtung Ziel! Ich konnte die Athleten hinter mir in Schach halten und rannte voller Freude und Erleichterung ins Ziel! Es geht also immer noch, meinen Körper zu fordern und näher ans Limit zu bringen. Im Ziel hatte ich eine Zeit von 54:28, stolzer Schnitt von 3:22 mit 180hm! Das war ein weiterer Meilenstein auf meinem Weg zurück ins Leben!

Wie vor jedem Rennen klingelte der Wecker um 4:45, 3h vor dem Start! Ich war müde und ich war nervös! Über 10 Monate ist mein letzter Triathlon-Start her! Bin ich überhaupt noch ein «Racer»? Der Regen und die Kälte machten mir etwas Sorgen, ich war noch deutlich reduziert und wollte mich nicht gleich wieder erkälten, und beim Rad musste ich auf jeden Fall aufpassen, dass ich in den Kurven nicht stürzte. Beim Frühstück dreht es mir etwas den Magen um und ich fühlte mich, als möchte ich nicht starten. Ich dachte mir, warum tue ich mir diese Sache noch an!

 So viele meiner Unterstützer stehen am Strassenrand und sind bei diesem schlechten Wetter extra nach Rapperswil gefahren. Was, wenn ich es nicht einmal auf das Rad schaffe? Was, wenn ich noch überhaupt nicht fit bin und mich abgeschlagen auf den letzten Plätzen ins Ziel schleppe? Ich atmete einmal richtig durch und sagte mir: Nervös sein ist gut, das heisst, dieses Rennen bedeutet mir sehr viel und es ist etwas Wichtiges in meinem Leben! Ich wandelte die Nervosität in motivierende Energie um und stand mit Energie auf und war ready für den für mich so wichtigen Tag! Ich hatte nicht einmal viel Zeit zum Überlegen, denn alles ging so schnell!

Einchecken, Getränke ready machen, Lauf- und Velo-Sack checken und schon in dem Neopren reinzwängen. Und dann läuft mir gleich der Schweiss kalt runter, dieser blöde Regen macht meinen Neo klebrig und ich komme fast nicht rein, alle Athleten sind schon am Einschwimmen! Doch es ist natürlich genug Zeit und ich stehe schon bald beim Start und freue mich einfach nur riesig auf ein weiteres Abenteuer Triathlon. Das Wasser ist 14° und eiskalt, doch es stört mich erst gar nicht, da ich mit vollem Fokus meine Position vor dem Schwimmstart einnehme. Es ist wichtig, dass man genug Platz hat und möglichst nah am schnellsten Schwimmer ist. Magnus Männer war direkt neben mir und wir hatten genug Platz, ich drückte den Athleten neben mir immer etwas weg, weil der näher kommen wollte. Doch es ist wichtig, dass ich die ersten Armzüge mit voller Kraft und mit genug Platz ausführen kann. So war ich nach 100m schon zuvorderst mit Magnus neben mir. Ich setzte mich schon bald an seine Füsse und versuchte, das hohe Tempo mitzugehen. Doch das war leichter gesagt als getan, bald verspürte ich Verkrampfungen in den Armen und musste das Tempo drosseln. Ich war definitiv noch nicht bereit für seinen Speed. Ich liess die kleine Gruppe ziehen und fokussiert mich auf ein etwas ruhigeres Tempo. Ziel ist heute ja finishen und nicht gewinnen 😉

Mit ein paar Sekunden Rückstand aus dem Wasser hatte ich als ITU Veteran natürlich einen sehr schnellen Wechsel und befand mich bald in einer optimalen Gruppe mit Youri Keulen. Ich bin noch nicht oft Einheiten auf dem Rad mit über 300 Watt gefahren, aber hier gings gleich mit 350 los. Ich hielt mich auf der ersten flachen Passage versteckt hinten in der Gruppe und bereitete mich für den Aufstieg vor. Es war klar, dass jemand angreifen würde, und ich bereitete mich mental und körperlich zum Mitfahren vor. Doch die Power der Jungs war ich mir noch nicht gewöhnt, jedoch ich konnte nicht einfach abreissen lassen, und so drückte ich volle Kanne durch, bis wir oben auf dem Berg angekommen waren. Ich war ganz klar über meinem Limit und fügte meinem Körper gerade etwas Schaden zu, den ich bis zum Laufen nicht mehr «heilen» konnte. Das Laktat lief mir zu den Ohren raus 😉